Name: Gemeinde Rocherath
Period: 1902-1977
Inventoried scope: 19 linear meters
Archive repository: State archives in Eupen
Heading : Municipalities
Authors: Herrebout, Els
Year of publication: 2015
Code of the inventory: 3-100
Gemeinde Rocherath
Eine Gemeindebezirk Rocherath-Krinkelt und Wirtzfeld im Sinne des belgischen Gemeindegesetzes (1) wurde erstmals am 13. Oktober 1921 gebildet. Gleichzeitig wurde das Gebiet zum selbstständigen Standesamtsbezirk erhoben.
Während der deutschen Besatzungszeit wurde die Gemeinde Rocherath dem deutschen Amt Büllingen einverleibt. "Die verheerenden Kriegswirren 1940-1945 in der belgischen Nordeifel hatten auch folgenschwere Konsequenzen für das Archivgut, so dass in Büllingen sowie im nahezu völlig zerstörten Rocherath Vieles verlorenging." (2)
Nach der Befreiung wurde die Gemeinde wieder gebildet. Sie ging im Rahmen der Gebietsreform 1977 in der neuen Großgemeinde Büllingen auf.
Im folgenden Kapitel (3) soll die Gemeinde als "Archivproduzent", d. h. als aktenbildende Behörde beleuchtet werden.
In der politischen Landschaft des Königreichs Belgien bildet die Gemeinde als lokale Gemeinschaft die engste, volksnaheste Einheit und zugleich die kleinste territoriale Unterteilung.
Der Stellenwert der kommunalen Ebene innerhalb des politischen Systems war in der Vergangenheit starken Schwankungen unterworfen. Der mittelalterliche Gemeindebegriff beruhte vor allem auf der Unterschiedlichkeit von Rechten und Freiheiten. Die moderne Gemeinde ist hervorgegangen aus zu Pfarreien zusammengefügten Ortschaften, aus Dörfern, Herrschaften, Quartieren, Städten usw., die zum Teil über Selbstverwaltung und eigene Gerichtsbarkeit verfügten. Grund- und landesherrliche Beschränkungen haben die kommunale Verwaltung am Ende des 18. Jahrhunderts oftmals in ihren einst freiheitlichen Errungenschaften beeinträchtigt, indem sie die Lähmung der Selbstverantwortung und die Degradierung zu rein "öffentlichen Anstalten" mit sich brachten. In Belgien führten die revolutionären, naturrechtlichen Ideen 1830 zur Anerkennung eines pouvoir communal und förderten gleichzeitig die grundrechtliche Forderung nach Gemeindefreiheit.
Gemeinden sind in Belgien - wie auch die Provinzen und Städte - Elemente einer durch Dezentralisation gekennzeichneten Staatskonzeption. Vom sozialen Standpunkt aus betrachtet entspricht diese Dezentralisation der Verschiedenartigkeit der Gebiete innerhalb des zentralistischen Staates. Sie versucht die Rechtsvorschriften den zahlreichen Traditionen, Interessen oder Bedürfnissen der Bevölkerung anzupassen.
Die Gemeinde zeichnet sich laut belgischem Gemeindegesetz von 1836 aus durch
ein bestimmtes Gebiet,
die Einwohner dieses Gebietes,
die gemeinsamen Interessen und Probleme der Einwohner und
eine einheitliche Organisation.
Juristisch ist die Gemeinde eine dem Staat eingegliederte Gebietskörperschaft mit einer gewissen Selbstverwaltung (Autonomie). Es ist eines der Erfordernisse im demokratischen System, dass die Gemeindeeinrichtung ihrer Bevölkerung die Möglichkeit gibt, selbst verantwortlich zu sein für die Führung der Angelegenheiten, die sie betreffen. Daher werden auch die Verantwortlichen dieser Führung direkt von den Einwohnern der Gemeinde gewählt. Die Institution "Gemeinde" trägt zudem zum guten Funktionieren der anderen demokratischen Einrichtungen bei.
Die Gemeinde, die gehalten ist, im Allgemeininteresse zu handeln, wird selbstverständlich nach genau festgelegten Gesetzen geleitet und untersteht der Aufsicht durch eine übergeordnete Behörde. Diese Kontrollfunktion wird in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens z.Zt. durch den Föderalstaat ausgeübt.
Die Aufgaben der Gemeinde haben sich im Laufe der Zeit entwickelt. Im 19. Jahrhundert nahm sie neben den eigentlichen Verwaltungsdiensten (z.B. die Führung des Grundbuchs, die von den Pfarreien übernommene Kompetenz der Führung von Bevölkerungslisten und Standesamt) auch Aufgaben wahr im Bereich der sogenannten "paternalistischen Hilfe" zur Erreichung des allgemeinen Wohlergehens, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, der öffentlichen Gesundheit und der Hilfe für Bedürftige. Der Kompetenzbereich, in dem die Gemeinden heute tätig sind, hat sich wesentlich erweitert infolge einer ständigen Entwicklung, die fast alle Bereiche des Lebens und der Gemeinschaft ergriffen hat. Aufgrund der direkten Nachfrage durch die Bürger selbst oder infolge gesetzlicher Verpflichtungen vertritt die Gemeinde ihre Bürger in mannigfachen Anliegen ("Daseinsvorsorge") und wahrt deren Rechte im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich. Daher bestehen die öffentlichen Aufgaben der Gemeinden vor allem in Ordnungs-, Sozial-, Kultur- und Wirtschaftsaufgaben.
Die Systematik der Aufgaben der Gemeinden zeigt sich u.a. in den ihr zugestandenen Befugnissen. Dazu gehören insbesondere
"die Verwaltung der Güter und Einkünfte der Gemeinde; die Feststellung und Begleichung der lokalen Ausgaben, die mit Geldern der Gemeinde bestritten werden müssen; die Leitung und Ausführung von öffentlichen Arbeiten, die zu Lasten der Gemeinde gehen; die Verwaltung der Einrichtungen, die der Gemeinde gehören, auf ihre Kosten unterhalten werden oder besonders für die Benutzung durch ihre Einwohner bestimmt sind.
Die Gemeinden haben auch als Aufgabe, den Einwohnern eine gute Polizei bereitzustellen, insbesondere was Sauberkeit, Gesundheit, Sicherheit und Ruhe auf öffentlichen Straßen, an öffentlichen Orten und in öffentlichen Gebäuden betrifft".
Dem Bürgermeister- und Schöffenkollegium obliegt u.a. "die Veröffentlichung und Ausführung der Gemeinderatsbeschlüsse" sowie "die Verwaltung der Ge-meindeeinrichtungen". (4)
Der Bürger wünscht sich als Angehöriger eines Staates, einer Region, einer Provinz, einer Gemeinschaft oder einer Stadt/Gemeinde zur Befriedigung seiner Bedürfnisse in seiner unmittelbaren lokalen Umgebung Dienstleistungen, die seine alltägliche, konkrete Existenz angenehmer machen ("Lebensqualität"). Abgesehen von seiner Familie oder partnerschaftlichen Bindung lebt der Mensch sein soziales Leben zunächst im Schoß der lokalen Einheit, der Kommune. Deshalb ist es Aufgabe der örtlichen behördlichen Einrichtungen, ihre rechtliche und verwaltungsmäßige Kompetenz und ihren politischen Einfluss in die Tat umzusetzen, um den Bürgern eine konkrete, den aktuellen Bedürfnissen angepasste Infrastruktur zu verschaffen.
Mit der Durchführung und Administration der gesetzlichen Anordnungen wird die Gemeindeverwaltung betraut. Ihre Aufgabe besteht darin, die notwendigen Vorschriften zu erlassen und die zur Verfügung stehenden Mittel so zu nutzen, dass das Leben einer mehr oder minder homogenen Gemeinschaft auf einem begrenzten Gebiet optimal geleitet und organisiert werden kann.
Um dies zu gewährleisten, steht dem vom König ernannten Bürgermeister als Vertreter der Zentralgewalt in der Gemeinde der Gemeinderat (Legislative) und das Bürgermeister- und Schöffenkollegium (Exekutive) zur Seite.
Zum Personenkreis, dem die tägliche Verwaltung der Gemeinde obliegt, gehören der Gemeindesekretär als oberster Beamter, der Einnehmer sowie die Gemeindeangestellten.
Die Gemeinde Rocherath verfügte über die im Gemeindegesetz vom 30. März 1836 festgelegte Organisation. Dem Bürgermeister stand ein Gemeindesekretär, Schöffen, die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung und ein Gemeinderat zur Seite. Die Personen, die in den Akten des vorliegenden Archivbestands (5) als Amtsträger identifiziert werden konnten, sind folgende:
Bürgermeister 1920-1940:
Ernannt vom Hohen Königlichen Kommissar am 10. Juli 1922: Nikolaus Kalpers (Sektion Rocherath; nachgewiesen bis 23. Januar 1933)
Ab 1933 (nachgewiesen bis 1938): Viktor Schroeder
Gemeindesekretäre
1. April 1922-4. November 1927: Hubert Schneider
Ab 23. August 1930-[unbekannt] Ferdinand Jouck
Schöffen 1920-1940:
Ernannt am 15. März 1922
Matthias Reuter
Joseph Hilgers
Schöffenwahl von 1922
Anton Brück (1922--[unbekannt])
Matthias Reuter (1922--[unbekannt])
Schöffenwahl vom 26. Januar 1927
Joseph Hilgers (ab 21. April 1925 bereits 2. Schöffe als Ersatz für den verstorbenen Anton Brück)
Johann Nikolaus Kerst
Schöffenwahl vom 23. Januar 1933 (nachgewiesen bis 1938)
Joseph Hilgers (1. Schöffe) und Heinrich Drösch (2. Schöffe)
Gemeinderatsmitglieder 1920-1940:
Gemeinderatswahl vom 21. Mai 1922
Anton Brück (6) (vor 1922-+15. April 1925; Sektion Wirtzfeld),
Matthias Heinrichs (1922--[unbekannt]; Sektion Krinkelt),
Joseph Hilgers (1922--[unbekannt]; Sektion Wirtzfeld),
Joseph Mackels (1922--[unbekannt]; Sektion Wirtzfeld),
Viktor Rauw (1922-+25. März 1924; Sektion Rocherath),
Matthias Reuter (vor 1922--[unbekannt]; Sektion Krinkelt),
Joseph Schleck (1922--[unbekannt]; Sektion Krinkelt),
Johann Stoffels (1922--[unbekannt]; Sektion Rocherath)
Gemeinderatswahl vom 10. Oktober 1926
Johann Faymonville
Barthel Halmes
Joseph Hilgers
Nikolaus Kalpers
Johann Kerst
Joseph Mackels
Joseph Reuter-Peters
Victor Schröder
Thomas Steffens
Gemeinderat ab 1932 (7)
Sektion Rocherath: Heinrich Drösch (2. Schöffe), Johann Nikolaus Palm, Peter Palm
Sektion Krinkelt: Joseph Giergen, Peter Schleck, Viktor Schroeder (Bürgermeister)
Sektion Wirtzfeld: Adolf Brück, Joseph Hilgers (1. Schöffe), Peter Joseph Reuter
1940
Kommissarischer Bürgermeister Mathias Faymonville, Gemeinderäte, vereidigt auf Sitzung des Gemeinderates vom 17. Dezember 1940: Franz Halmes, Johann Jansen, Johann Rauw-Klinkhammer und Anton Röhl. Auf der gleichen Sitzung wurde Mathias Faymonville auf Vorschlag aus dem Gemeinderat zum Bürgermeister, Mathias Gustav Palm und Ewald Halmes zum 1. bzw. 2. Beigeordneten ernannt. (8)
Ab 1944
Bürgermeister
September 1944-11. Februar 1947: Paul Drösch
Gemeindesekretäre
1. Juni 1945--[unbekannt]: Pierre Girretz (kommissarisch) (9)
1. Januar 1946-: Ferdinand Jouck (10)
Schöffen:
24. September 1945: Heinrich Drösch, Richard Drösch (11)
5. April 1946: Richard Drösch, Peter-Kerst Palm
Gemeinderat
24. September 1945: Johann Stoffels, Peter-Kerst Palm, Peter Schleck, Joseph Giergen, Aloys Jost, Bernard Welsch, Paul Hoenen. (12)
5. April 1946: Josef Giergen, Mathias Heinrichs, Paul Hoenen, Johann Röhl, Peter Schleck, Bernhard Welsch.
13. November 1947: Joseph Brüls, Nikolaus Brüls, Mathias Heinrichs-Vilz, Alois Jost-Schröder, Peter Mertens, Johann Mollers, Johann Röhl, Martin Vassen, Bernard Welsch. (13)
Einnehmer
[Unbekannt]-24. Februar 1949: Bernard Halmes
In dem am 28. Juni 1919 unterzeichneten Vertrag von Versailles wurden auch Forderungen bezüglich der Archive ausgesprochen: (14)
"Die deutsche Regierung hat der belgischen Regierung unverzüglich die Archive, Register, Pläne, Urkunden und Schriftstücke aller Art betreffend die Zivil-, Militär-, Finanz-, Justiz- und sonstige Verwaltung des unter die Souveränität Belgiens tretenden Gebietes zu übermitteln.
Desgleichen hat die deutsche Regierung die im Laufe des Krieges von den deutschen Behörden aus den belgischen öffentlichen Verwaltungsstellen, namentlich aus dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten zu Brüssel, entnommenen Archive und Urkunden aller Art der belgischen Regierung zurückzustellen (Art. 38)". (15)
Ein Dekret des General-Leutnants Baltia vom 13. Oktober 1921, das am 1. Januar 1922 in Kraft trat, verfügte die Aufhebung der deutschen Gemeindegesetzgebung vom 23. Juli 1845, 15. Mai 1856, 30. Mai 1887 und 1. Juni 1887 (Art. 1) und beschloss weiterhin, dass "das belgische Gemeindegesetz vom 30. März 1836 - 30. Dezember 1887, sowie die belgischen Gesetze vom 30. Juli 1903, 17. August 1920, 20. Februar, 27. August und 18. Oktober 1921 (...) im ganzen Gebiete des Gouvernements Eupen-Malmedy" zur Anwendung gelangen sollten (Art. 2). (16)
Aus der holländischen Verwaltungsperiode stammt ein Gesetzestext, der auch im 1830 gegründeten Königreich Belgien Anwendung fand (Lois, décrets, arrêtés et règlements généraux qui peuvent être invoqués en Belgique). Dieser Königliche Erlass von 1825 behandelte das Archiv im Kapitel über den Gemeindesekretär:
"La conservation des archives de la commune, qui devront toujours se trouver dans la maison communale ou dans la salle du conseil, est particulièrement recommandée au secrétaire, qui en est spécialement responsable. En cas de décès, ou si sa place devient vacante par suite d'autres motifs, les pièces appartenant aux archives ou au secrétariat de la commune passent immédiatement entre les mains du bourgmestre, ou de celui qui le remplace, pour qu'il les conserve et en fasse ensuite la remise sous inventaire au secrétaire qui sera nommé" (17).
Weiterhin bestimmte dieser Erlass, dass der Sekretär die Inspektion des Gemeindearchivs oder der Akten des Sekretariats durch Dritte nur nach erfolgter Benachrichtigung und Genehmigung seitens des Bürgermeisters und des Kollegiums erlauben dürfe (Art. 101). Zudem verpflichtete die Eidesformel den Sekretär bei dessen Amtsantritt, eine sorgfältige Aufbewahrung der Archive, Register und sonstigen Dokumente des Gemeindesekretariats zu gewährleisten (Art. 102).
Das belgische Gemeindegesetz von 1836 behandelte den Archivbereich nur sehr allgemein. Es beauftragte das Bürgermeister- und Schöffenkollegium, die Archivalien in gutem Zustand aufzubewahren und ein Inventar in doppelter Ausführung zu erstellen:
Dem Bürgermeister- und Schöffen-Kollegium obliegt die Aufbewahrung der Archive, der Urkunden und der Standesamtsregister, sowie der Charten und sonstiger alter Dokumente der Gemeinde; es stellt ferner Inventare in doppelter Ausfertigung aus und hat den Verkauf oder die Entwendung irgendwelcher hinterlegten Urkunden zu verhindern.
In den den Arrondissementskommissaren unterstellten Gemeinden wird eine Ausfertigung dieser Inventare der Provinzialverwaltung übersandt.
(Art. 100); Le Collège des Bourgmestre et Echevins veille à la garde des archives, des titres et des registres de l'état-civil; il en dresse les inventaires en double expédition, ainsi que des chartes et autres documents anciens de la commune, et empêche qu'aucune pièce ne soit vendue ou distraite du dépôt.
Dans les communes placées sous la surveillance des commissaires d'arrondissement, expédition de ces inventaires est adressée à l'Administration provinciale.
(Art. 100)
Weiterhin beauftragte das Gemeindegesetz von 1836 das Bürgermeister- und Schöffenkollegium mit der Führung der Standesamtsregister (Art. 93), regelte das Einsichtrecht der Bürger und Gemeinderatsmitglieder in Gemeinderatsbeschlüsse (Art. 69), beauftragte den Sekretär "mit der Abfassung der Protokolle und mit der Eintragung aller Beschlüsse" in entsprechende Register (Art. 112) und beauftragte den Gemeinderat im Falle von Begrenzungen mit der Regelung dessen, "was die Schulden und Archive anbelangt" (Art. 151).
Bereits am 19. Februar 1923 erging ein Rundschreiben des Gouvernements Eupen-Malmedy an die Gemeindeverwaltungen, worin diese auf die einzuhaltende "peinliche Ordnung in den Buros" (sic!) hingewiesen wurden. Außerdem sollten "die Acten sauber und practich classiert" (sic!) werden, "denn dieses ist für eine gute und prompte Erledigung der Geschaften unbedingt erforderlich" (sic!). Es wurde den Sekretären empfohlen, die "Classification der Akten nachzusehen, sie nach Möglichkeit zu verbessern und diese Classification einzurichten dort, wo sie nicht existiert. Hierbei kann man die Initiative und der practiste Sinn eines Secretaire prüfen" (sic!). (18)
Der Bezirkskommissar von Eupen-Malmedy erinnerte die Gemeindeverwaltungen 1924 an den Absatz 2 des Artikels 100 des Gemeindegesetzes und bat sie, "da, wo noch nicht geschehen, unter Beachten des vorerwähnten Artikels das vorgeschriebene Inventar sofort aufzustellen und (...) übersenden zu wollen". (19)
Ein ministerielles Rundschreiben vom 11. Mai 1925 empfahl den Gemeinden, jene Akten in die Staatsarchive zu überführen, die aus der Zeit vor 1830 stammen. Auf diese Art und Weise könnten diese alten Archivalien sachgerecht aufbewahrt, geordnet und inventarisiert und somit für die Forschung zugänglich gemacht werden. Eine ähnliche Empfehlung wurde am 7. April 1927 in Bezug auf die Kirchenregister erlassen.
Verschiedene Verordnungen der dreißiger Jahre betrafen Sicherheitsmaßnahmen, die durch die Gemeinden zu ergreifen waren, damit die Verwaltungsakten und Kirchenregister im Kriegsfall, bei Gebietsräumungen, bei Luftangriffen und bei Transporten nicht beschädigt oder gar zerstört werden. So schrieb der Lütticher Provinzgouverneur den Gemeinden:
"Ich erinnere alle Ortsbehörden und öffentliche Dienststellen daran, dass die Staatsarchiven bei den heutigen Zeiten der sicherste Ort sind, wo diese alten Urkunden aufbewahrt werden können. Die Versendung der Archiven könnte, solange der Transport auf dem Landwege oder mit der Bahn nicht allzu sehr behindert ist, noch gut vonstatten gehen. Im allgemeinen Interesse und besonders im Interesse der Gemeinden ist es erforderlich, dass die Archiven gut aufgehoben werden; sie dürfen unter keinem Vorwand verbrannt werden" (sic!). (20)
Vor diesem historischen und legislativen Hintergrund ist auch der Archivbestand der Gemeinde Rocherath entstanden.
Besonders hervorzuheben ist, dass die sog. Ardennenoffensive einen Teil des Archivs der Gemeinde Rocherath zerstört hat.
Die überlieferten Unterlagen, die bei ihrer Entstehung in der Registratur der Gemeinde Rocherath geführt wurden, gelangten im Zuge der Gemeindereform von 1977 zum Verwaltungssitz der neuen Großgemeinde Büllingen, ins Gemeindehaus (Hauptstr. 240). Die Rocherather Unterlagen wurden aber zuvor an wechselnden Orten zwischengelagert, auch wurden wohl im Rahmen der Gemeindefusion Unterlagen vernichtet und beschädigt. (21)
Im Gemeindehaus lagerten sie bis zur Abgabe an das Staatsarchiv verteilt auf verschiedene Kellerräume. (22)
Das Archiv wurde am 2. Mai 2012 vom Staatsarchiv akzessioniert. Die Gemeinde hat von den neueren Unterlagen, die nach 1950 entstanden sind, jedoch nur einen Teil abgegeben. Die Unterlagen, die in Büllingen verblieben sind, wurden in der Abgabeliste, die alle historischen Unterlagen umfasst und im Zentraldossier hinterlegt ist, gekennzeichnet.
Der Archivbestand umfasst alle Unterlagen, die bei der Aufgabenerledigung einer Gemeinde anfallen. Hervorzuheben sind die umfangreichen Anteile zu den Kriegsschäden und ihrer Beseitigung, aber auch zur Landwirtschaft.
Sprache und Schrift:
Der Bestand umfasst die Akten, die in der Gemeinde Rocherath in der Zeit ab 1920 entstanden sind. Ausgenommen hiervon sind die Unterlagen der Jahre 1940-1944, die unter der deutschen Besatzungsverwaltung während des Zweiten Weltkriegs entstanden sind. Sie bilden eine eigene Provenienz.
Die Akten liegen hauptsächlich in deutscher Sprache vor, in kleinen Teilen auch in Französisch. Unter den deutschen Unterlagen finden sich auch in Kurrentschrift verfasste Stücke.
Akten der Jahre bis 1950 wurden wegen der mit den Staatenwechseln verbundenen besonderen Geschichte des Gebietes der Deutschsprachigen Gemeinschaft und seiner Bewohner komplett übernommen. Jüngere Akten wurden auf der Grundlage des "Schriftgutbewertungsverzeichnisses für die kommunalen Archive in der Deutschsprachigen Gemeinschaft" in seiner Version von 2012 bewertet. Die Unterlagen, die der Gemeinde Büllingen als Eigentümer des Bestands zur Kassation vorgeschlagen und nach Genehmigung der Gemeinde kassiert wurden, waren in den allermeisten Fällen mit anderen Akten identische Zweitschriften. Die Liste der Kassanda befindet sich im Zentraldossier.
Der Archivbestand kann durch spätere Abgaben der Gemeinde Büllingen, in denen sich weitere Unterlagen der früheren Gemeinde Rocherath befinden können, anwachsen. Hierbei sind vor allem Akten, die zwischen 1950 und 1976 entstanden sind, zu erwarten. Die Unterlagen, die bei der Abgabe am 2. Mai 2012 nicht abgegeben worden sind, können anhand der Abgabeliste im Zentraldossier identifiziert werden.
Es sind jedoch keine Zuwächse zu erwarten, die über eine Ergänzung des vorliegenden Archivbestands hinausgehen, da die Gemeinde Rocherath mit der Umsetzung der Gemeindereform 1977 als selbstständige Gemeinde zu existieren aufgehört hat.
Im Jahr 2000 wurden durch den Mitarbeiter des Fördervereins des Archivwesens in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Wilfried Jousten, alle Gemeindearchive inspiziert. Herr Jousten hat dabei eine Vorsortierung und grobe Inventarisierung der vorhandenen Unterlagen vorgenommen. In seinen in diesem Zusammenhang entstandenen Berichten hat er festgehalten, in welche Ordnung er die Unterlagen aus der belgischen Periode (1920-1976; ausgenommen 1940-44) gebracht hat. Er folgte dabei der REGIS-System-Registratur. (23)
Diese Klassierung ist auch die Grundlage für die bei der Erschließung dieses Archivbestands gewählte Ordnung. Innerhalb dieser Ordnung wurden die Verzeichnungseinheiten prinzipiell chronologisch sortiert, da keine Aktenzeichen o. ä. andere Ordnungskriterien systematisch auf den Unterlagen angebracht waren. Innerhalb der chronologischen Grundordnung wurden Verzeichnungseinheiten mit gleichen Inhalten bzw. Betreffen allerdings gruppiert.
Die Abrechnungsunterlagen wurden nach den im Haushalt festgelegten Budgetpositionen geordnet. Auch wurden Serien der verschiedenen Haushaltsbücher archivisch gebildet.
Die Akten unterliegen keinen Schutzfristen. Die Nutzung des Bestands erfolgt im Rahmen der geltenden Nutzungsbedingungen bzw. Benutzerordnung. Personenbezogene Unterlagen unterliegen ggf. noch dem Persönlichkeitsschutz.
Reproduktionen können im Rahmen der geltenden Bestimmungen angefertigt werden, sofern sie den Erhaltungszustand der Archivalien nicht gefährden.
Die Akten dieses Archivbestandes befinden sich zum allergrößten Teil in dem Zustand, in dem sie in der Verwaltung geführt worden sind. Neben z. T. noch fadengehefteten Akten und Registerbüchern dominieren in Aktenordnern abgelegte Vorgänge. Die Ordner wurden bereits vor der Abgabe entfernt, sodass eine Vielzahl der Verzeichnungseinheiten mit einem Faden gebunden abgegeben wurde, z. T. liegen die Ordnerinhalten auch in loser Form vor.
Als Zugang zu diesem Archivbestand dient das hier vorliegende Findmittel.
Die Großformate (Plakate, Pläne, Aushänge u. ä.) wurden aus den Akten entfernt. Ihre Entnahme wird durch Stellvertreter angezeigt, die auf das entnommene Großformat verweisen. Die Großformate werden nun liegend gelagert. Sie werden bei einer Benutzung auf Nachfrage vorgelegt.
Es handelt sich ausschließlich um Originaldokumente. Eine Parallelüberlieferung bzw. Kopie des Archivbestandes ist nicht bekannt.
AUTORENGRUPPE ROCHERATH-KRINKELT (Hrsg.), Schicksalsgemeinschaft im Schatten des Dreiherrenwaldes - Einblicke in die Vergangenheit von Rocherath-Krinkelt, Büllingen, 1993.
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BETTENDORFF M., Erzwungenes Umdenken: Die Forstwirtschaft im 19. Jahrhundert, in AUTORENGRUPPE ROCHERATH-KRINKELT (Hrsg.), Schicksalsgemeinschaft im Schatten des Dreiherrenwaldes - Einblicke in die Vergangenheit von Rocherath-Krinkelt, Büllingen, 1993, S. 55-59.
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HALMES R. und REYNARTZ L., Wirtzfelder Kirchenregister von 1813-heute, Erweiterung von 1684-1813, o. O., 2001.
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Die Erschließung des vorliegenden Archivbestandes wurde im Juni 2013 von Eike von Boetticher, Praktikant im Staatsarchiv in Eupen, begonnen. Ab Sommer 2014 setzte Dr. René Rohrkamp, Oberassistent am Staatsarchiv in Eupen, die Arbeiten fort. Sie wurde im November 2014 abgeschlossen. Hilfestellung bei einem Teil der Arbeiten leistete die Praktikantin beim Staatsarchiv in Eupen, Iris Bauer. Bei der Erschließung wurden alle Akten neu klassiert, nummeriert, beschriftet und verpackt. Großformate wurden entnommen.
Bei den Verpackungsarbeiten halfen Renate Schmitz, Mitarbeiterin des Staatsarchivs in Eupen, und weitere Praktikanten. Im Dezember 2015 hat Els Herrebout, Leiterin des Staatsarchivs in Eupen die Endfassung des Inventars fertiggestellt.
Inhalt: Enthält auch Förderanträge kirchlicher Einrichtungen sowie Schriftwechsel im Zuge der Wiedereingliederung in das belgische Staatswesen. | 1 | Rundschreiben und Akten betr. das Personal des Gemeinderates und seine Bezüge, den Wiederaufbau 1945, sowie Gesuche um finanzielle Zuwendungen und ähnliche Fragen. 1946-1949. | 1 Bündel |